Wenn alles „wie geschmiert“ lief, konnte Lorenz Köbinger 1000 Torfstückal pro Stunde in seiner Torfwiesen stechen. Mit einem Torfeisen, einem kantigen, scharfen Stechgerät, stach er gleich zwei Stückal auf einmal vom Torfboden ab. Doch vorher musste ein Entwässerungsgraben gezogen und die Mooswiese abgeräumt werden, d.h. mit dem Torfspaten wurden die obersten 30 – 40 cm des Moores abgestochen. Mit den abgestochenen Wasen wurden bereits abgetorfte Flächen bedeckt.
Dann konnte es mit dem Torfstechen losgehen. Ein hölzerner Schubkarren stand immer in unmittelbarer Nähe, damit die frisch gestochenen, quaderförmigen, nassen Stückal schnell abgelegt werden konnten. So arbeitete sich Lorenz Köbinger auf einem Streifen von ca. 8 m x 1,5 m Breite voran. Der Torf seiner Moorwiese war so tiefgründig, dass er 4-mal mit dem Torfeisen Stückal aus der Tiefe herausholen konnte. Da sich Torf sehr langsam bildet, in 100 Jahren etwa 10 cm, waren diese Stückal wohl über 1000 Jahre alt. An anderen Stellen der Filzen gab es Flächen, in denen die Bauern nur 3 Lagen Torf in die Tiefe abstechen konnten. Andererseits waren manchmal auch 5 Lagen möglich, je nachdem wie mächtig der Torf anstand. Von Ende April bis Anfang Mai kamen die Bauern im Umkreis von 2-3 Kilometern nach Rottenhub, um in ihren eigenen Torfstichen den Jahresbedarf an Torf abzubauen. Lorenz schätzt, dass er mindestens 12 000 Stückal jedes Frühjahr gestochen hat. Diese Stückzahl war als Heizvorrat für die Familie ausreichend, zumal zum Hof auch Waldflächen mit genügend Brennholz gehörten.
Mit dem Schubkarren wurden die Brenntorfstücke in die Nähe der Torfhütte gefahren, wo sie zum Trocknen aufgerichtet wurden. Es gab verschiedene Methoden die Stückal aufzurichten: in Reihen, kreisförmig oder auch zu Türmen gestapelt. Bei Lorenz am Hof wurden die Torfstücke ähnlich einer Mauer, aufeinander gelegt. Gestapelt wurden sie bis zu 5 Reihen hoch, wobei kleine Abstände zwischen den einzelnen Blöcken eingehalten werden mussten. Im 1 Kilometer entfernten Röhrmoos dagegen wurden kleine „Häusl“ gemacht. Lorenz bevorzugte die Aufrichtung in Reihen, weil, so erklärt er, der Wind die Reihen weniger „umschmeissen“ konnte, als die Häusl. Nach 8 – 14 Tagen mussten sie umgeschichtet werden.
Natürlich war es wetterabhängig, wie schnell so ein Torfteil vollständig getrocknet war, aber bis zum Spätsommer konnten schon viele in die Torfhütte geräumt werden. Oft standen diese Häusl aber auch noch bis in den Herbst auf der Wiese, um noch ausreichend zu trocknen, dann wurden sie zum Hof gebracht.
Arg war es, erinnert er sich, wenn im Sommer in großer Eile und Anstrengung die Heuernte eingefahren werden musste, weil ein Gewitter heranzog. Kaum war das Heu in Sicherheit, gab es kein Verschnaufen und alle Helfer begaben sich zum Torfstich, um auch noch schnell die schon trockenen Stückal in die Torfhütte zu bringen.
Im Torfstich hat Lorenz Köbinger bis 1955 gearbeitet. Von den alten Torfstichen ist im heutigen Wirtschaftsgrünland nichts mehr zu sehen, denn nach der vollständigen Abtorfung wurde das Gelände angeglichen. Heute zeugen nur noch tiefschwarze Maulwurfshügel von dem einstigen Moor.
Autorin: Lucia Karrer, März 2022