Im Rahmen des Bayern Netz Natur Projektes „Schätze der Eiszeitlandschaft“ wurden faunistische Kartierungen durchgeführt um einen möglichst umfassenden Kenntnisstand zu erlangen hinsichtlich der faunistischen Artausstattung im Projektgebiet. Die Ergebnisse sollten der Priorisierung potentieller Maßnahmenstandorte dienen, aber auch helfen Maßnahmen auf die naturschutzfachlich bedeutsamen Arten vor Ort abzustimmen. Eine Erfolgskontrolle war aufgrund der geringen Projektlaufzeit nicht möglich. Vielmehr wurde versucht laufende Maßnahmen zu begleiten und diese zu optimieren.
Die Kartierungen wurden in den Jahren 2020 bis 2022 durchgeführt und durch Fachgespräche mit den Biodiversitätsberatern ergänzt. Folge Auftragnehmer wurden beauftragt:
- 2020 ARGE Fauna (Bearbeiter: Ilse Engelmaier, Klaus Burbach)
- 2021 PAN (Bearbeiter: Mario Harzheim)
- 2022 ARGE Fauna (Bearbeiter : Ilse Engelmaier, Klaus Burbach)
Die Erhebungen fanden zu gleichen Teilen in den Landkreisen Mühldorf und Rosenheim statt. Methodisch wurde dabei zwischen aquatischen und terrestrischen Lebensräumen bzw. zwischen den Artgruppen Amphibien, Libellen und Tagfalter/Heuschrecken unterschieden.
2020 | 2021 | 2022 | |
Objekte | 30 | 23 | 27 |
Amphibien | 19 | 12 | 17 |
Libellen | 15 | 12 | 18 |
Tagfalter/Heuschrecken | 15 | 16 | 14 |
Durch die faunistischen Erhebungen konnten insgesamt 37 Standorte im Landkreis Mühldorf und 31 Standorte im Landkreis Rosenheim untersucht werden. Damit konnten die naturschutzfachlichen Grundlagendaten von einem Großteil der im Projektgebiet vorkommenden Biotopkomplexe aktualisiert werden.
Die Berichte der faunistischen Kartierungen sind im Anhang zu finden. Nachfolgend werden die Ergebnisse für die vier Artgruppen zusammenfassend wiedergegeben:
Amphibien
Da sich die Untersuchungen auf den Nachweis der beiden Zielarten Kammmolch und Kleiner Wasserfrosch konzentrierten, handelte es sich nicht um eine umfassende Erhebung aller Amphibienarten. Andere Arten wurden lediglich über Beibeobachtungen erfasst.
Der erste Kartierdurchgang 2020 ergab ernüchternde Ergebnisse hinsichtlich der Zielart Kammmolch (0 Nachweise). Erst durch die Kartierungen 2021 und 2022 konnten 7 Nachweise des Kammmolchs im LK Mühldorf erbracht werden. Unter Berücksichtigung der Anzahl der untersuchten Gewässer sind die Vorkommen als gering einzuschätzen. Gründe liegen hierfür in einem Mangel an geeigneten Habitatstrukturen durch Beeinträchtigungen wie hohem Fischbesatz, zu starker Beschattung und Isolation zu anderen Vorkommen. Auch methodische Gründe können zu einem Misslingen von Nachweisen beigetragen haben, da die Art nur schwer zu erfassen ist. Bedeutende Vorkommen befinden sich im Großhaager Forst sowie in einem Toteiskessel bei Giglberg.
Der kleine Wasserfrosch konnte nur an 4 Gewässern mit Sicherheit nachgewiesen werden. Bei den übrigen Probegewässern, wo Bestände von Grünfröschen festgestellt wurden, war eine eindeutige Bestimmung aus methodischen Gründen nicht möglich. Vielfach sind jedoch die Habitat Vorraussetzungen für den Kleinen Wasserfrosch vielerorts nicht mehr erfüllt. Neben den bereits oben genannten Gründen ist auch die Verlandung von vielen Kleingewässern ein negativer Faktor.
Erfreulicherweise konnten Nachweise des Kleinen Wasserfroschs und des Kammmolchs in Kleingewässern erbracht werden, die im Rahmen des Projekts neu angelegt wurden.
Weitere naturschutzfachlich bedeutsame Beibeobachtungen waren der Laubfrosch (9 Nachweise), der Springfrosch (10 Nachweise) und die Gelbbauchunke (2 Nachweise).
Libellen
Insgesamt wurden 48 Libellenarten festgestellt. Dies sind 83% der 58 im Lkr. MÜ und im nördlichen Lkr. RO nachgewiesenen Arten. Dieser vergleichsweise hohe Anteil erklärt sich dadurch, dass ein vergleichsweise breites Lebensraumspektrum untersucht wurde und zwei sehr artenreiche Probeflächen enthalten waren (alleine 15 Arten wurden nur in je einer Probefläche festgestellt). Vielerorts mussten jedoch erhebliche Beeinträchtigungen der Habitate festgestellt werden. Dies sind zum einen Eutrophierungserscheinungen, aber auch Schilf- und Gehölzaufwuchs. Sehr viele Kleingewässer und auch Schlenkenkomplexe waren in den Sommermonaten komplett ausgetrocknet.
Insgesamt konnten 23 Arten der Rote Liste gefunden werden. Darunter drei Arten die vom Aussterben bedroht sind. Das Vorkommen der Östlichen Moosjungfer am Toteiskessel bei Sicking ist von bayernweit sehr hoher Bedeutung. Die Funde der Zwerglibelle im Toteiskessel bei Sicking und im Buchseemoos sind mitunter die nördlichsten Vorkommen im bayerischen Alpenvorland. Überraschenderweise gelang ein Erstfund eines Individuums der Sumpf-Heidelibelle im Eidinger Moos. Weitere naturschutzfachlich bedeutsame Funde sind die stark gefährdeten Arten Hochmoor-Mosaikjungfer, Gestreifte Quelljungfer, Kleine Binsenjungfer, Große Moosjungfer und Arktische Smaragdlibelle. Weiterhin wurden 7 gefährdete Arten und 6 Arten der Vorwarnliste kartiert.
Die Masse der Nachweise bedeutsamer Arten erfolgte in nur wenigen Probeflächen. Herausragend ist dabei die Bedeutung des Toteiskessels bei Sicking. Hier wurden alleine 30 Arten, darunter zehn der Roten Liste nachgewiesen. Ebenfalls sehr hohe Bedeutung hat das Buchseemoos nordwestlich Wasserburg a. Inn. Hier wurden 33 Arten, darunter 12 Arten der Roten Liste festgestellt. Hohe Bedeutung hat weiterhin das Kalkflachmoor im Großhaager Forst mit Vorkommen der beiden Quelljungfer-Arten und des Kleinen Blaupfeils. Vorkommen mehrerer gefährdeter Arten wurden außerdem in folgenden Probeflächen festgestellt: Nasswiesen am Kesselsee, Halmsee, Rottenhuber Moos, Eidinger Moos, Neudecker Moos, Toteiskessel und Tümpel bei Schratzlsee, Niedermoor östlich Weidholz, neuangelegter Tümpel westlich Linnern.
Tagfalter
Bei den Untersuchungen wurden 36 Tagfalterarten festgestellt. Dies sind 63 % der 57 im Lkr. MÜ und im nördlichen Lkr. RO seit dem Jahr 2000 nachgewiesenen Arten. Darunter waren eine in Bayern stark gefährdete Art, vier gefährdete Arten und sechs Arten, die auf der Vorwarnliste der Roten Liste Bayern stehen. Dieses Artenspektrum ist als eher gering anzusehen. Die Ursachen hierfür liegen einerseits darin, dass sich unter den wertvolleren der ausgewählten Probeflächen hauptsächlich solche befanden, die naturgemäß eine blütenarme Vegetation aufweisen (z. B. Großseggen- und Schneidriede) oder sich nur für stark auf Hoch- und Übergangsmoore spezialisierte (tyrphophile) Arten als Larvalhabitat eignen. Andererseits waren etliche zwischenzeitlich stark degradierte Offenlandflächen mit ebenfalls stark eingeschränktem Artenspektrum enthalten. Blütenreiche Nasswiesen als wichtiges Tagfalterhabitat sind in dem gesamten Projektgebiet nur noch vereinzelt in kleinen Restbeständen vorhanden.
Besorgniserregend ist der Umstand, dass die Zielart Hochmoor-Perlmuttfalter auf keiner der bereits bekannten Nachweisflächen bestätigt werden konnte. Einzig auf einer Fläche im LK Mühldorf gelang ein neuer Nachweis mit allerdings nur 2 Individuen. Es ist davon auszugehen, dass die Art im Projektgebiet weitestgehend ausgestorben ist.
Naturschutzfachlich bedeutsam sind die Vorkommen des Braunfleckigen Perlmuttfalters, des Wachtelweizen-Scheckenfalters und des Baldrian-Scheckenfalters. Diese konnten jedoch nur an wenigen Fundorten mit wenigen Individuen nachgewiesen werden. Erfreulich war der Nachweis von 2 Kernpopulationen und weiteren Einzelnachweisen des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings. Weitere bedeutsame Beibeobachtungen waren der Frühlings-Perlmuttfalter (nicht bodenständig), der Adippe-Perlmuttfalter, des Mädesüß-Perlmuttfalters, des Brombeerzipfelfalters, des Gelbwürfeliger Dickkopffalters und des Argus-Bläulings.
Herausragend ist die Bedeutung der Nasswiesen am Kesselsee. Hier wurden 19 Arten, darunter vier der Roten Liste Bayern nachgewiesen. Vergleichsweise hohe Bedeutung für die Tagfalterfauna aufgrund des Vorkommens gefährdeter Arten und vergleichsweise hoher Artenzahlen hatten das Niedermoor östlich Weidholz mit 15 Arten, die Nasswiesen am Penzinger See mit elf und der Toteiskessel bei Schratzlsee. Hervorzuheben ist auch die positive Entwicklung des Hangquellmoors nördlich Kirchdorf, auf der die höchste Artenzahl (20 Arten) festgestellt wurde, darunter aber nur eine Art der Vorwarnliste.
Heuschrecken
Insgesamt wurden im Projektgebiet 23 Heuschreckenarten erfasst. Das sind ca. 80% der 28 im Lkr. MÜ und nördlichen Lkr. RO seit dem Jahr 2000 nachgewiesenen Arten. Darunter waren eine in Bayern gefährdete Art und sechs Arten, die auf der Vorwarnliste der Roten Liste Bayern stehen. Das Artenspektrum setzt sich überwiegend aus feuchteliebenden und ubiquitären Arten zusammen. Der mäßige Anteil bestätigter Arten und insbesondere die geringe Nachweishäufigkeit einiger Arten beruht darauf, dass die Probeflächen vielfach durch Eutrophierung, zu hohe Schnittfrequenz einerseits, Verbrachung andererseits für anspruchsvollere Arten entwertet waren.
Die häufigste Art der Roten Liste war die Sumpfschrecke mit 18 Fundorten und teils hoher Individuendichte. Die Große Goldschrecke als Zielart der hochwüchsigen Feuchtgebieten wurde an 5 Standorten gefunden. Der Sumpfgrashüpfer wurde an neun Fundorten in gegenüber 2020 geringerer Anzahl festgestellt. Typisch für magere Bereiche, teils in Hoch- und Zwischenmooren, ist die Kurzflügelige Beißschrecke, die in neun Probeflächen festgestellt wurde. Die Feldgrille (9 FO) trat teils im Umfeld der Fundorte auf intensiv gemähten Grünland häufiger auf als in den Probeflächen Bemerkenswert ist, dass auch die ungefährdeten Arten, mit Ausnahme des Gemeinen Grashüpfers (14 FO) und der Zwitscherschrecke (25 FO), oft nur auf wenigen Flächen nachgewiesen werden konnten.
Für Heuschrecken besonders hoch ist die Bedeutung der Nasswiesen am Kesselsee nördlich von Edling. Hier wurden 11 Arten, darunter zwei der Roten Liste nachgewiesen. Ebenfalls hohe Bedeutung hatten das Kalkflachmoor im Großhaager Forst, die Toteiskessel bei Feichten, Linden und bei Ober-Übermoos, das Buchsee-, Pfaffinger- und Rottenhubermoos sowie die Feuchtwiesen in den Weiherfilzen und der Feuchtkomplex bei Brunnthal.